A

Alvarinho – die kleine Weisse mit grossem Auftritt

„Die kleine Weisse vom Rhein" – klingt nach einem Hobbit oder einem Nebencharakter aus Game of Thrones, ist aber der deutsche Übersetzungsversuch für Alvarinho/Albariño, eine der spannendsten weissen Rebsorten der Iberischen Halbinsel. Zuhause ist sie zwischen Galiciens Rias Baíxas und Portugals Minho, wo der spritzige Vinho Verde entsteht.

Früher dachte man, Alvarinho sei ein Cousin des Rieslings, vielleicht von Mönchen auf dem Jakobsweg eingeschleppt. DNA sagt: nette Geschichte, aber falsch. Vielleicht verwandt mit Loureiro, vielleicht nicht. Was wirklich zählt: wie sie im Glas auftritt.

Und dort zeigt sie, was sie draufhat. Früher noch Banause in süsslich-verniedlichender Vinho-Verde-Manier, heute eine Star-Rebe: pfeffrig-frisch, blumig (Orange, Akazie, Veilchen), mit Zitrusnoten, Pfirsich, Quittenduft und manchmal einem Hauch Meer und Nüsse.

Albariño kann alles: trocken, halbtrocken, aus Edelstahl, Holz oder Amphore, mit Malo oder ohne, als Schaumwein oder auf der Vollhefe reifen. Kurz: wie ein Neuwagen mit jeder erdenklichen Ausstattung.

Genetisch vielleicht nicht Riesling, geschmacklich? Definitiv ein heimlicher Nachfolger – der Galicier und Portugiese haben ihre eigene, königliche „kleine Weisse".

FAQ

Was ist der Unterschied zwischen Alvarinho und Albariño?
Es handelt sich um die gleiche Rebsorte. In Portugal nennt man sie Alvarinho, in Spanien hingegen Albariño.
Woher stammt Alvarinho?
Die Rebsorte ist in Nordwestspanien (Galicien, Rías Baíxas) und im Norden Portugals (Minho, Vinho Verde-Region) zuhause.
Wie schmeckt Alvarinho?
Typisch sind frische Zitrusaromen, Pfirsich, Quitte sowie florale Noten wie Orangen- oder Akazienblüten. Häufig kommen noch eine salzige Mineralität und ein Hauch von Nüssen dazu.
Zu welchem Essen passt Alvarinho?
Alvarinho harmoniert hervorragend mit Fisch, Meeresfrüchten, asiatischer Küche, hellem Fleisch und frischen Salaten.
Ist Alvarinho ähnlich wie Riesling?
Alvarinho und Riesling sind nicht verwandt, werden aber oft verglichen. Beide sind bekannt für ihre frische Säure, aromatische Vielfalt und gute Lagerfähigkeit.
Kann man Alvarinho lagern?
Ja, hochwertige Alvarinho-Weine können mehrere Jahre reifen und entwickeln dann zusätzliche Komplexität. Junge Weine sind eher frisch und fruchtig, gereifte Versionen runder und aromatisch tiefer.

B

Barolo – der unangefochtene König der Weine

Italien hat seit 1946 keinen König mehr – ausser einem: dem Barolo. „König der Weine, Wein der Könige" nennen ihn die Italiener, und das völlig zurecht. Er hat nicht nur bei Krönungen Geschichte geschrieben, sondern auch beim Geniessen einen royalen Anspruch.

Seine Heimat ist das Piemont, genauer gesagt die Gegend um Alba, wo im Herbst nicht nur Trüffel, sondern auch beste Nebbiolo-Trauben gedeihen. Früher durfte ein Schuss Barbera mit ins Glas, heute ist Barolo reiner Nebbiolo – kräftig, gerbstofflastig und mit ordentlich Säure. Junge Barolo können dabei so gnadenlos rau sein, dass man sie besser mit Handschuhen anfasst – Schleifpapier im Glas, quasi.

Deshalb braucht ein grosser Barolo Zeit. Viel Zeit. 10, 15, manchmal 20 Jahre – Geduld wird belohnt: ein Wein, der Komplexität und Tiefe wie kaum ein anderer liefert. DOCG-Barolo reift mindestens 38 Monate, Riserva sogar 62, davon ein grosser Teil im Holzfass.

Traditionell schlafen die Weine in riesigen Holzfässern, moderne Winzer setzen auch mal aufs Barrique. Puristen schreien „Skandal!", Geniesser freuen sich über frühere Trinkreife und extra Vanille- und Röstnoten. Geschmacklich erwarten einen Pflaumen, Kirschen, Rose, Teer, Trüffel, Bitterschokolade – und bei klassischem Barolo eine überraschend helle, granatrote Farbe, die an Pinot Noir erinnert.

Kurz gesagt: Barolo ist kein Wein für Sofort-Glücklich-Trinker, sondern für Leute, die auf die Krone warten.

C

Cabernet Sauvignon – der Jetsetter unter den Rotweinen

Cabernet Sauvignon ist wie Coca-Cola: ob Australien, Südafrika, China oder Kalifornien – er ist einfach überall. Weltweit wächst er auf über 435.000 Fussballfeldern (310.000 ha), Europa mal ausgenommen, wo er seine Wurzeln an der Gironde hat. Zusammen mit Merlot regiert er die Bordeaux-Cuvées: links prominent, rechts eher geduldig danebenstehend. Anderswo gibt er auch solo den Ton an.

Nicht jeder Cabernet ist ein Superstar – klar. Aber die grossen Bordeaux-Châteaus und einige Napa Valley-Cabs gehören definitiv zur Championsleague. Fun Fact: Sein Name verrät tatsächlich die Eltern – Cabernet Franc und Sauvignon Blanc – und 1997 wurde er als erste Rebsorte per DNA-Analyse offiziell „gecheckt".

Das Erfolgsgeheimnis? Flexibilität ohne Charakterverlust. Die spät reifenden kleinen Beeren mit dicken Häuten liefern intensive Farbe und kräftige Tannine. Geschmacklich dominiert Cassis, dazu grüne Paprika (je unreifer, desto wuchtiger) und mit Reife Zedernholz, Tabak, Lakritze, Leder, Mokka, Pflaume und Schwarzkirsche.

Jung kann er ruppig sein – wie Rennradfahren auf Kopfsteinpflaster. Säure und Tannine beissen zu, Barrique bringt Röstaromen, Vanille oder Kokos und rundet das Ganze. Gute Cabs reifen Jahre, manchmal Jahrzehnte – bis sie weich, komplex und fast unsterblich sind.

D

Dekantieren – Wein vom Bodensatz befreien

Fangen wir vorne an: Dekantieren ist im Grunde nur ein edler Trick, um ungeliebte Feststoffe (auch Depot genannt) vom Wein zu trennen. Nein, es geht nicht darum, den Wein „zu belüften" – das gehört ins Kapitel Karaffieren.

Rotweine bilden während ihrer Flaschenreife Trubstoffe. Phenole und Farbstoffe verketten sich wie lange Partyketten und fallen irgendwann aus – als feiner Staub oder grobkörnige Kristalle. Schmeckt man nicht, will man aber auch nicht im Glas haben.

Richtig dekantiert man also so: Flasche mindestens 24 Stunden aufrecht stehen lassen, dann langsam in eine Karaffe giessen. Wer oldschool sein möchte, tut das bei Kerzenschein und beobachtet die Flamme durch den Hals. Sobald das Depot auftaucht, wird abgesetzt, der Rest bleibt sauber im Glas.

Wer zu zittrig für die Kerzen-Variante ist, kann auf mechanische Dekantiermaschinen setzen – Steampunk trifft Wein – aber eine ruhige Hand tut's im Prinzip auch.

Kleine Warnung: Dekantieren ist ein Balanceakt. Je älter der Wein, desto mehr Depot – also eigentlich dekantierenswert. Andererseits reagiert reifer Wein empfindlich auf Sauerstoff, und zu viel kann ihm schaden. Deshalb streiten Experten: Nutzen oder Risiko? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen – und bei ruhiger Hand.

E

Eiswein – die süsse Wette auf den Winter

Eiswein ist im Prinzip ein Zucker-Jackpot im Glas – aber nur, wenn der Winter mitspielt. Fällt er zu mild aus, war's das mit der süssen Idee. Klappt's, entsteht ein extrem konzentrierter, fruchtiger Süsswein, der zwar an Beerenauslesen erinnert, aber ganz anders schmeckt.

Beim klassischen Eiswein hängen die Trauben bis tief in den Winter am Stock, bis die Temperaturen mindestens fünf Stunden lang knackig unter minus 7 °C fallen. Dann werden sie – noch gefroren – gepresst. Das Wasser bleibt als Eis zurück, Zucker und Säuren wandern in den Most, der so konzentriert ist wie ein Dessert-Smoothie. Typische Botrytis-Aromen wie Safran oder Honig fehlen, dafür punktet Eiswein mit Frische und Fruchtigkeit.

„Warum nicht einfach Trauben einfrieren?" fragt sich manch einer. Antwort: verboten in Deutschland, Kanada und den USA – nur in Neuseeland ist Kryoextraktion erlaubt. Geschmacklich? Eher Tiefkühl-Analogkäse statt echter Eiswein-Magie.

Eiswein ist eine deutsche und österreichische Spezialität – 1830 wurde der erste Eiswein gelesen. Seit den 1970ern gibt es ihn auch in Kanada, Oregon und Michigan. Dank Klimawandel wird die Winzerwette auf harte Winter allerdings immer riskanter.

F

Feinhefe – der unsichtbare Bodyguard des Weins

„Auf der Feinhefe liegen" klingt nach Luxus, Champagner und High Society – ist in Wahrheit aber eine uralte Standardtechnik, vor allem bei fruchtbetonten Weissweinen. Früher ein bisschen aus der Mode, ist sie heute dank Naturwein-Trend wieder angesagt. In Frankreich zeigen viele Winzer stolz „sur lie" auf dem Etikett: der Wein durfte auf seiner Feinhefe reifen.

Hefe sorgt ja dafür, dass Most zu Wein wird. Während der Gärung vermehrt sie sich wie verrückt – das nennt man Vollhefe. Irgendwann trennt man Hefe und Wein, entweder früh oder nach Monaten (manchmal sogar Jahren). Zieht man den Wein vorsichtig vom Bodensatz ab, ohne zu filtern, bleibt ein bisschen Hefe übrig: die Feinhefe.

Sie verändert den Geschmack zwar nicht so direkt wie Vollhefe, wirkt aber indirekt wie ein Bodyguard. Sie schützt Aromen vor Sauerstoff wie ein Türsteher beim Black Friday, spart Sulfit und bewahrt die Frische des Weins. Ausserdem erlaubt sie mehrere Abstiche, die das Filtern später schonender machen und die feinen Nuancen erhalten.

Kurz gesagt: Feinhefe ist unsichtbar, still und wirkungsvoll – ein kleiner Held im Keller, der den Wein schützt, während er in Ruhe reifen darf.

G

Gamay – die Rebsorte mit bewegter Vergangenheit

Gamay hat es in Weinkreisen nicht leicht. Schon 1395 verbot Philipp der Kühne ihren Anbau zugunsten des Pinot Noir – angeblich „schädlich für die Gesundheit". Ganz so schlimm konnte es wohl nicht gewesen sein, denn Jahrhunderte später war Gamay die Hauptfigur hinter dem erfolgreichsten Weinmarketing-Coup nach dem Zweiten Weltkrieg: Beaujolais Nouveau.

Die Sorte ist so stark mit Beaujolais verwoben, dass sie manchmal schlicht „Beaujolais-Traube" genannt wird. Aber Gamay zieht auch anderswo seine Bahnen: im Maconnais, an der Loire (Anjou, Saumur, Touraine) und sogar im Burgund, wo er im Gemischten Satz Passe-Tout-Grain zusammen mit Pinot Noir und Pinot Liébault wächst. In der Schweiz heisst er Dôle und ist nach Pinot die zweitwichtigste rote Sorte. Weltweit deckt Gamay rund 26.000 Hektar ab – Tendenz leicht fallend.

Gamay ist eine natürliche Kreuzung aus Pinot und Gouais Blanc. Er liefert helle, fruchtige Weine: Himbeere, Kirsche und bei Carbonic-Maceration manchmal Banane bis zum Überdruss. Doch auf den richtigen Böden entstehen überraschend komplexe, langlebige Weine. In den Cru-Beaujolais passiert gerade viel: junge Winzer pushen die Qualität, und bekannte burgundische Häuser investieren zunehmend im Süden.

Kurz gesagt: Gamay ist trotz historischer Vorurteile ein rebellischer, fruchtbetonter Charakter – mal verspielt, mal ernsthaft – und immer für Überraschungen gut.

K

Karaffieren – Wein im Turbo-Luftbad

Während beim Dekantieren das Ziel ist, den Bodensatz vom Wein zu trennen, dreht sich beim Karaffieren alles um Sauerstoff. Kurz gesagt: Flaschenreifung im Zeitraffer. Der Wein bekommt in Minuten, was er sonst über Jahre im Keller bekäme.

Die Standardmethode: eine Karaffe mit grosser Oberfläche. Je schneller der Wein hineinflie sst, desto mehr Luftkontakt – das nennt man Sturzkaraffieren. Perfekt für junge Weine, die vom Depot noch nicht gestört werden. Doppeldekantieren geht noch einen Schritt weiter: raus aus der Karaffe, rein in die Flasche. Effekt verdoppelt, Platz gespart – ideal bei Weinproben.

Neben klassischen Karaffen gibt es allerlei Gadgets, die das Ganze angeblich noch besser machen sollen. Ob die physikalischen Wunder wirken oder nur Schall und Rauch sind, muss jeder selbst testen.

Sanfter geht's bei älteren Weinen: Flasche öffnen, Stunden stehen lassen – Belüftung per Zeitlupe. Kritiker sagen „Quatsch", Altwein-Fans schwören drauf.

Und dann gibt es noch die radikale Methode à la Modernist Cuisine: Mixer für 30 Sekunden. Blutdruck garantiert hoch, Effekt theoretisch maximal. Egal wie, Karaffieren ersetzt niemals die echte Reifung – die braucht auch Prozesse ohne Luft, wie die Polymerisation von Phenolen und Farbstoffen.

L

Loureiro – der Lorbeer unter den Weissweinen

Loureiro, in Spanien Loureira oder Marqués, ist eine portugiesische Spitzenrebsorte und die zweitwichtigste für Vinho Verde. Neben dem Minho wächst sie auch in Douro, Lisboa und Do Tejo.

DNA sagt: Loureiro entstand wohl aus einem One-Night-Stand zwischen Amaral und Branco Escola – romantisch, oder? Ob Loureiro Tinto verwandt ist, bleibt ein Mysterium. Die Sorte ist genetisch vielseitig, was auf ein ziemlich altes Erbe hindeutet.

Sein Name bedeutet Lorbeer – und tatsächlich prägt eine elegante Lorbeernote das Aromaprofil, dazu kommen Linden-, Akazien- und Orangenblüten. Fruchtig wird es mit Orange, Pfirsich und grünem Apfel. Oft mildert man die Intensität mit Alvarinho oder Trajadura, aber immer mehr Winzer bauen Loureiro auch reinsortig aus.

Loureiro ist frühreifend und ertragreich, dafür aber auch anfällig für Pilze und Milben. In Portugal standen 2016 rund 4.400 Hektar, in Galicien knapp 300 – und die Anbauflächen wachsen stetig.

Kurz gesagt: Loureiro ist ein frischer, floraler Charakter, elegant wie Lorbeerblätter im Sommerwind – und dabei gar nicht so wählerisch, wenn man ihn pflegt.

M

Maische – der Rohzustand des Weins

Maische ist für den Wein das, was die Suppe mit Fleischstücken zur klaren Brühe ist: ein Mix aus Traubensaft, Schalen, Kernen und manchmal auch Stielen. Erst wenn diese Feststoffe abgezogen oder filtriert sind, spricht man von Most. Wie lange das dauert, hängt von Rebsorte, gewünschtem Weinstil und der Philosophie des Winzers ab. Diese Zeit nennt man Maischegärung oder Maischestandzeit.

Auch ausserhalb des Weins gibt's Maische: Obstmaische – hier geht's wie beim Wein darum, Fruchtzucker zu Alkohol zu vergären, z. B. für Obstweine oder Brände. Getreidemaische – beim Bier, Korn oder Whisky ist das Ziel ein anderes: Die im Korn enthaltene Stärke muss mithilfe von Enzymen erst in Zucker umgewandelt werden. Denn Hefen können mit Stärke so wenig anfangen wie ein Boomer mit TikTok – gar nix.

Praktischer Nebeneffekt: Stärke lässt sich lagern, Zucker nicht. Deshalb hält Getreide ewig, während Obst schneller verarbeitet werden muss.

N

Nebbiolo – die Diva des Piemont

Nebbiolo klingt nach Nebel – ob wegen der Wetterlage zur Lesezeit oder wegen des weissen Flaums auf den Beeren, bleibt sein Geheimnis. Fest steht: Die kleinen, dicken Trauben liefern Weine, die nicht umsonst als „Könige Italiens" gehandelt werden.

Diese Sorte ist ein echter Rekordjäger: spät reifend wie kaum eine andere, hell in der Farbe, aber mit so viel Säure und Tannin, dass ihre Weine locker Jahrzehnte überleben – vorausgesetzt, der Jahrgang spielt mit.

Doch Nebbiolo ist wählerisch bis zur Zickigkeit: Nur kalkhaltiger Mergel, steile Hänge und Sonne von Süden oder Südwesten sind genehm. Kein Wunder also, dass er sich fast ausschliesslich im Piemont wohlfühlt.

Trifft dann alles perfekt zusammen – Lage, Wetter und Winzerkunst – schenkt Nebbiolo ein Aromenfeuerwerk von Rosen, Tabak und Teer bis Trüffel und Schokolade. Klassische Baroli brauchen dafür oft 10–20 Jahre, der etwas sanftere Barbaresco zeigt sich früher. Wer's moderner mag, greift zu Varianten aus dem Barrique, die auch ungeduldigen Weinfreunden Freude machen.

O

Orange Wine – Weisswein mit Röstaromen fürs Auge

Orange Wine ist kein Naturwein-Ersatzbegriff, auch wenn er oft so benutzt wird. Sein Geheimnis ist viel simpler: weisse Trauben, die wie Rotwein auf der Maische gären.

Normalerweise trennt man beim Weisswein die Schalen schnell ab, damit er schön frisch und fruchtig bleibt. Lässt man sie aber länger dabei, wandern Tannine und Farbe in den Saft – und plötzlich leuchtet der Wein nicht mehr blassgelb, sondern kräftig gold bis orange.

Im Geschmack ist das eine eigene Liga: weniger Primärfrucht, dafür mehr Grip, Würze und manchmal sogar eine fast „teeartige" Struktur. Mit klassischem Weisswein hat das wenig zu tun – eher mit einer uralten Tradition. Schon die Georgier haben vor 5.000 Jahren Amphoren mit maischevergorenen Weissweinen gefüllt.

Offiziell passt Orange Wine bis heute in kaum ein Weingesetz. Darum landet er oft als einfacher Landwein auf dem Etikett – was seinem Kultstatus aber keinen Abbruch tut. Kein Zufall: Viele seiner Macher sind ohnehin Natural-Wine-Fans, die nach denselben Prinzipien vinifizieren.

P

Pét Nat – Champagners wilder Cousin

Pétillant Naturel, kurz Pét Nat, ist die Urform des Schaumweins: kein kompliziertes Champagnerverfahren, sondern einfach Gärung, Krone drauf, fertig – die Kohlensäure bleibt drin. Dieses „Méthode ancestral"-Prinzip ist so alt wie charmant, wirkt aber gerade wieder hip, weil die Naturwein-Szene ihn als ihren sprudelnden Liebling entdeckt hat.

Das Ergebnis? Weniger poliert als Champagner, oft trüb, manchmal unberechenbar – aber immer lebendig, frisch und ziemlich unkompliziert. Pét Nat ist sozusagen das Party-Kid der Schaumweinwelt: spontan, ungestylt und garantiert nie langweilig.

Q

Qvevri – Georgiens unterirdischer Weinkeller

Qvevri (manchmal Quevri) heisst übersetzt schlicht „Amphore" – stimmt so weit, nur dass die antiken Vorbilder eher Henkel zum Tragen hatten und Wein transportierten. Das georgische Original ist eher ein Spa für Trauben: gross, in der Erde vergraben und für lange Aufenthalte gedacht.

Die Qvevri-Methode ist uralt: fast 8.000 Jahre Tradition! Während in Europa Wein meist schnell von der Maische getrennt wird, verbringen die georgischen Trauben ein Tête-à-Tête mit Schale, Stiel und Stängel. Gestampft wird noch traditionell in offenen Wannen („Sacnakheli") mit den Füssen. Danach wandert der Most in die Qvevri, wo die Maische mehrfach abgeschöpft wird, bis der Wein klar ist. Fertige Weine können dann Jahrzehnte in der Erde lagern – luftdicht, oft mit Bienenwachs ausgekleidet.

Die Qvevris selbst wirken wie unterirdische Kühltruhe: die Erde schützt und sorgt für konstante Temperatur während Gärung und Reifung. Verschiedene Regionen Georgiens variieren Menge, Dauer und Maischekontakt, das Grundprinzip bleibt gleich.

Das Ergebnis? Weine mit eigenwilligem, phenolischem Charakter – nichts für Westmägen, aber ein Abenteuer für Entdecker. Kein Wunder, dass Winzer aus Italien, Deutschland und darüber hinaus die Qvevri-Magie importieren, um ihre eigenen unkonventionellen Tropfen darin zu erzeugen.

R

Riesling – Deutschlands Wein-Diva

Riesling ist der unangefochtene König der deutschen Rebsorten und wächst auf über 24.000 ha. Weltweit rangiert er zwar nicht unter den Top 10, dafür ist er eine echte Diva: zu wenig Sonne? Zickig. Zu viel Hitze? Plump. Perfektes Klima? Dann liefert er komplexe, elegante Weissweine, die international hochgeschätzt sind.

Sein Ursprung liegt im Rheintal, erstmals urkundlich erwähnt im 15. Jahrhundert. Genetisch ist er eine Mischung aus Traminer, einer rheinischen Wildrebe und Heunisch – letzterer brachte Säure und späte Reife mit. Anfangs nur als Partner im Gemischten Satz genutzt, eroberte Riesling ab dem 18. Jahrhundert die Krone des deutschen Weinbaus und war Ende des 19. Jahrhunderts international teurer als so mancher Premier- oder Grand Cru aus Frankreich.

Riesling kann fast alles: trocken, halbtrocken, edelsüss – seine knackige Säure verhindert, dass er plump wird. Aromatisch reicht die Palette von Aprikose und Pfirsich über Apfel bis hin zu mineralischen Noten, die seine Herkunft verraten. Edelsüsse Spitzenweine sind nahezu unsterblich, trockene Exemplare reifen ebenfalls hervorragend. Mit zunehmendem Alter entwickelt er dann die typische Petrolnote, die ihn unverwechselbar macht.

S

Sauvignon Blanc – die wandelbare Aromenmaschine

Wenn eine weisse Rebsorte als Aufsteiger durchstartet, dann der Sauvignon Blanc. Frisch, grasig, mit Johannisbeer- und Stachelbeer-Noten aus Europa oder exotischen Tropenfrüchten aus Neuseeland – er ist quasi das Pale Ale unter den Weissweinen.

Den weltweiten Hype startete in den 1990er Jahren Neuseeland, speziell Cloudy Bay, die der Sorte ein neues, tropisches Gesicht gaben. Schnell kopierten Winzer weltweit diesen Stil, und zwischen 2000 und 2010 verdoppelte sich die Anbaufläche. Heute wächst er in Chile, Südafrika, Südtirol, der Steiermark und auch in Deutschland in Rekordtempo.

Sauvignon Blanc kann laut, expressiv und auffällig sein – oder subtil, mineralisch und komplex, wie an der Loire in Sancerre, Pouilly-Fumé oder als Teil von Bordeaux-Cuvées. Seine genetische Familie ist spannend: Traminer (Savagnin), Chenin Blanc und sogar Cabernet Sauvignon gehören dazu.

Der Clou: Er ist extrem wandlungsfähig. Holz, Maischegärung oder gar Orange Wine – jeder Ausbau verwandelt ihn, sodass der Sauvignon Blanc nie langweilig wird.

T

Tannin – der natürliche Mundtrockenmacher

Tannine, auch Gerbstoffe genannt, kommen vor allem aus Traubenhäuten und Stielen, nur wenig aus dem Fruchtfleisch, und sorgen dafür, dass Wein reifen kann – wie Lauge für die Brezel. Rotwein kann bis zu zehnmal so viel Tannin enthalten wie Weisswein.

Jung wirkt Tannin adstringierend, also mundtrocknend. Wer die Wirkung testen will, zieht einfach einen kräftigen schwarzen Tee. Je länger die Trauben auf der Maische liegen, desto mehr Tannin wandert in den Wein – Tee-Prinzip deluxe.

Tannine gibt's in allen Schattierungen: weich und reif oder grün und kantig. Rebsorte und Ausbau beeinflussen sie stark: Cabernet Sauvignon, Malbec oder Tannat liefern harte Tannine, Pinot Noir oder Grenache eher sanfte. Auch Holzfässer und Mikrooxidation helfen, die Gerbstoffe geschmeidiger zu machen.

Nach der Abfüllung polymerisieren die Tannine: Sie verketten sich, setzen sich als Depot ab und machen den Wein weicher. Grobe, grüne Tannine von unreifen Trauben bleiben jedoch unnachgiebig, egal wie lange man wartet.

U

Umami – der heimliche Star auf der Zunge

Manchmal braucht Sprache ein Leihwort, und genau das tat Japan: „Umami" beschreibt das köstlich-herzhafte, das einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt – von Steak bis Parmesan. Erfunden hat den Begriff Kikunae Ikeda, ein japanischer Chemiker, der damit den fünften Geschmackssinn neben süss, sauer, salzig und bitter identifizierte.

Umami zeigt uns instinktiv, wo Proteine stecken, ähnlich wie Süsse auf Kohlenhydrate hinweist. Die Ursache sind die Aminosäuren Glutamat und Aspartat – ja, genau das Glutamat, das in Foodie-Kreisen gern verteufelt wird, aber völlig zu Unrecht.

Allerdings ist Umami im Wein ein kleiner Zausel: Es verstärkt alle anderen Geschmacksrichtungen, besonders Bitterkeit. Deshalb geraten tanninreiche Rotweine schnell in Konflikt mit gereiftem Käse – eine Geschmacksexplosion, die nicht immer harmoniert.

Ikeda hatte sich von anfänglicher Skepsis nicht beeindrucken lassen, entwickelte eine Methode zur Glutamatsynthese und gründete Ajinomoto – das Zeug, das heute in jedem Asiastore steht.

V

Viognier – der Comeback-Künstler von der Rhône

Viognier ist der White-Phoenix unter den Rebsorten: Einst fast ausgestorben, heute wieder weltweit unterwegs. Die Traube liefert kraftvolle, tiefgelbe Weine voller Aprikose, Pfirsich, zitrischer Frische und floraler Noten wie Maiglöckchen oder Veilchen. Robust gegen Botrytis, aber sensibel bei echtem Mehltau – und leider auch nicht gerade ertragreich.

In den 1960ern lebte die Sorte nur noch auf 14 Hektar in Frankreich – quasi ein Weingarten-Minimalbestand. Dank Parker und der Rhône-Renaissance in den 1980ern durfte Viognier wieder durchstarten. Heute: Top 50 der Weltcharts, mit rund 16.000 Hektar global. Frankreich führt die Parade an, allen voran Condrieu und Château-Grillet, gefolgt von Nord- und Süd-Rhône, Italien, Griechenland, Argentinien, Australien, Neuseeland, Kanada und sogar Deutschland im Versuchsanbau.

DNA sagt: Viognier ist eng verwandt mit der Mondeuse Blanche und der piemontesischen Freisa. Historisch erstmals 1781 erwähnt, kursieren wilde Theorien, dass er schon im 3. Jahrhundert von Dalmatien an die Rhône geschifft wurde – der Beweis steht noch aus.

W

Weissburgunder – Deutschlands unbestrittener Dauerbrenner

Wenn Deutschland bei Weisswein Punkte sammeln könnte wie bei der WM, stünde der Weissburgunder im ständigen Goldmedaillen-Modus. Fast 6.000 Hektar werden hierzulande bepflanzt – mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Hauptsächlich dort, wo dem Riesling schon die Hitze zu schaffen macht. Danke, Klimawandel.

Ob der Weissburgunder die Henne und der Grauburgunder das Ei ist oder umgekehrt? Schwer zu sagen. Fest steht: Beide sind enge Verwandte von Pinot Noir (Spätburgunder) und so ähnlich, dass selbst DNA-Tests kaum unterscheiden können, wer wen gezeugt hat. Chardonnay ist da ein guter Paradebeispiel-Fall für Verwechslungsgefahr.

Für Winzer ist Weissburgunder entspannt wie ein Nachmittag im Liegestuhl. Stimmt Boden (tief, trocken) und Lage (warm, sonnig), gibt's solide Erträge und gesunde Mostgewichte – ohne Drama. Für extravagante Spitzenklasse sucht man besser bei Chardonnay. Dennoch entstehen in Deutschland, Österreich und sogar in der Champagne durchaus feine Cuvées mit ihm.

Heller als Grauburgunder, blass bis hellgelb im Glas, spielt er seine feine Seite aus. Nussige Noten teilt er sich mit dem Grauen, doch er wirkt eleganter und weniger wuchtig. Typische Fruchtaromen? Melone, Birne, Quitte, Aprikose – und gelegentlich ein Spritzer Zitrus für die Frische.

X

Xinomavro – der sauerschwarze Grieche

Der Name Xinomavro bedeutet wörtlich „sauerschwarz" – klingt nicht gerade nach Party im Glas, ist aber die zentrale rote Rebsorte Nordgriechenlands, besonders in Makedonien. Ihre Markenzeichen: tiefdunkle Trauben und eine Säure, die so präsent ist, dass man fast denken könnte, sie hätte ein eigenes Fitnessprogramm.

Früher vermutete man, Xinomavro sei verwandt mit Pinot Noir oder Nebbiolo – wegen der Säure und der eher hellen Rotweine. DNA-Checks 2013 lieferten aber keine Treffer. Wahrscheinlich entstand die Sorte aus einer heissen Liaison zwischen Gouais Blanc (Weisser Heunisch) und einem geheimnisvollen Partner.

Die Trauben lieben karge, sandige Böden. Die Rebe ist wuchskräftig und ertragreich, treibt mittelfrüh aus und reift spät. Um gesunde, vollreife Trauben zu bekommen, ist ordentlich Laubpflege Pflicht. Krankheiten wie Falscher Mehltau und Graufäule machen ihr das Leben schwer, echte Mehltau-Schäden sind seltener.

Jung präsentiert sich Xinomavro mit roten Früchten wie Erdbeere und Pflaume, ältere Weine entwickeln Noten von getrockneten Tomaten, Oliven und Trockenfrüchten. In kühlen Höhenlagen glänzt die Sorte reinsortig, sonst findet sie sich auch in Cuvées wie im Goumenissa, wo die säurebetonte Natur durch mindestens 20 % Negoska gemildert wird. 2016 standen in Griechenland über 2.100 Hektar Xinomavro, fast alles in Makedonien. Neben Rotweinen liefert sie auch Rosé und Schaumwein.

Z

Zinfandel oder auch Primitivo – die transatlantische Rebsorten-Legende

Zinfandel hat schon einen Namenskomplex: Manche sagen, er sei Amerikas ureigenster Roter, andere verweisen auf sein italienisches Alter Ego Primitivo, und dann gibt's noch die kroatische Urmutter Crljenak Kaštelanski (heute meist Tribidrag genannt). Ein bisschen wie Wein-Multikulti.

Fakt ist: Zinfandel/Primitivo liebt die Sonne, Kalifornien und Apulien stehen ganz oben auf seiner Favoritenliste. Alte Reben zaubern komplexe, würzige Weine mit üppiger Frucht und angenehmer Würze – Brombeere, Feige, dunkle Kirsche, dazu Nelke, Zimt, Muskat oder schwarzer Pfeffer. Wird er hingegen stiefmütterlich behandelt, landet man schnell bei langweiligen, überzuckerten Tropfen à la White Zinfandel – sprudelnde Fruchtlimonade mit Alkohol, nicht mehr.

Richtig spannend wird's bei alten Rebanlagen: Erträge schrumpfen, Intensität steigt. Das gilt für Kalifornien ebenso wie für Apulien, wo die Primitivo-Trauben oft extra süss und „colalastig" daherkommen. Anspruchsvoll ist der Zinfandel allemal – seine Beeren reifen niemals synchron, jede Traube spielt ihr eigenes Spiel.

Heute teilen sich Italien (16.300 ha) und die USA (18.800 ha) fast die Waage, Kroatien hütet die Urrebe auf mickrigen 67 Hektar, Australien ziert das Feld mit läppischen 86 ha. Wer ihn richtig behandelt, bekommt aber echte Charakterweine – saftig, würzig und unvergesslich.